Silvester…unendliche Weiten…
…und endlose Messenger-Nachrichten und Tier-Videos später ist es endlich soweit: Silvester steht wieder mal vor der Tür und ich bin Facebook, Whatsapp und Co. so dankbar, dass ich in unpersönlichen GIF´s und Social Media Dauerbeschallung darauf hingewiesen wurde, sonst hätte ich es mit Sicherheit verpasst.
Aber wie das natürlich jetzt in Zeiten von Social Media häufig passiert: es baut sich Druck auf. Früher hat man sich froh verabredet, war auf einer Party, mit Familie oder Freunden. War besoffen oder eben nicht. Hatte gute Laune oder einen Kater. Oder wählte meine Variante: um 22 Uhr ins Bett, damit man wirklich frisch ins Neue Jahr kam.
Ich und feiern? O Em Dschi! Nur wie??
Jetzt sah ich schon im Vorfeld verschiedene Varianten, wie man sich dem fulminanten Jahresendzeitabschluss nähern konnte: mit oder ohne Yoga, mit oder ohne Alkohol, Optionen, welche man entweder für sich alleine (ganz spirituell oder spirituosisch) oder mit Freunden, Familie oder neuer Crowd genoss. Welche aber durchdacht, besprochen und mit Videos untermalt waren. Die ganz Coolen waren natürlich NICHT im Lande, sondern weilten in Metropolen oder Eiländern, deren Namen ich noch nie gehört hatte. Und hier wende ich ganz deutlich ein: ja, ich beneide beide Varianten aus vollem Herzen und gönne es den Betreffenden aus eben demselben heraus! Enjoy your life to the fullest sweethearts! Aber da mein Budget noch oh so 2018 war und nicht auf 2019 eingeschossen, in welchem natürlich alles anders werden würde, musste ich also mit großen Augen all den Superlativen auf Social Media folgen.
Ich befand, dass die 22-Uhr-ich-schließe-meine-Äuglein-und-begebe-mich-zur-Ruh-Variante dieses Jahr nicht greifen konnte, ja durfte. Auch ich wollte diesmal teilhaben am allgemeinen Silvester-Hype, mit der Crowd mitschwimmen!
Ein Plan musste her…
Ich rief meine Freundin an: “Süße, hast du´s schon auf Facebook gelesen? Silvester naht! Und ich will diesmal mit dabei sein!” Sie: “Okay, ich begleite dich auf deinen ersten Schritten in ein wildes Silvester.” Man muss dazu sagen, dass meine Freundin Managerin in einem IT-Konzern ist und eine sehr strategische Person. Sowohl im Office-Management als auch im Partying. Sie war die richtige Wahl und ich erleichtert.
Es wurde vereinbart, dass meine Freundin kochte und ich für den Nachtisch sorgen sollte. Der erste Programmpunkt stand. Aber natürlich konnte ein Silvester-Abend nicht nur aus Essen bestehen. Nein, ein ganz wichtiger Bestandteil sind – richtig – Ziele! Also wollten wir auch unsere Ziele für 2019 aufschreiben. Für mich eher ein bisschen lästig, da ich nun mal ein wuscheliger Lockenkopf bin und manchmal auch dementsprechend in den Tag starte: Locke und Lebensrichtung können variieren… Aber gut: dieses Silvester war ich gewillt, es durchzuziehen! Was auch immer!
Für mich einmal Silvester bitte…
Der Abend nahte und ich wurde ein wenig aufgeregt. Würde ich Frohsinn verspüren und versprühen? Würde meine Nachspeise gelingen? (Für all die Herren, die mich trotz meines Postings https://stadtlocke.com/sommer-sex-setzen/ weiterhin unermüdlich kontaktieren, sei gesagt: ich bin keine Küchenfee, den Part müsstet ihr also bereitwillig und ohne Murren übernehmen…Und wer noch einen Porsche 911 über hat, kann ihn gleich zusammen mit dem Essen vor meiner Tür abstellen. Danke.) Aber vor allem: würde ich Ziele haben?
Das erste Glas Prosecco half, in alle Punkte ein klein wenig Entspannung zu bringen. “Süße, 2019, das wird unser Jahr!”, meinte meine Freundin. “Ja, ich spür´s schon!”, pflichtete ich aufgeregt bei. Ich war jetzt richtig gewillt, wie alle anderen dieses Silvester auch zu dem Silvester meines Lebens zu machen!
Das Essen, das meine Freundin gekocht hatte, war vorzüglich. Die Gespräche zwischen ihr und mir fließen hin und her, es ist immer eine Bereicherung, eine Freude…zu jeder Jahreszeit. Und ihre beiden Hunde schnauften entspannt unterm Tisch…
Mein Nachtisch stand unter dem Gesichtspunkt “gesund”. Denn das war mir auch aufgefallen in vielen Postings, es musste bewusst, gesund und überhaupt, durfte nicht einfach so daher gekocht sein. Ich wollte wirklich alles richtig machen, ausgewogen sollte es sein. Und so schmeckte es dann leider auch. Ich untermalte den Nachtisch mit aufmunternden Worten, dass gesund so wichtig sei und wir quasi einen relevanten Neujahrsvorsatz schon im alten Jahr umgesetzt hätten! Wir seien auf dem richtigen Weg! Meine strategische Freundin schaute mich ausdruckslos an und goss uns wortlos den Champagner ein…
Kein Silvester ohne Ziele! Oder die Wahl zwischen Realismus und Optimismus…
Nach dem ersten Glas Champagner und allerlei Gespräche über Literatur, Sport und Männer waren wir bereit für: die Ziele! Jetzt galt´s!
Meine organisierte Freundin holte Papier, Federn und Tinte. Unsere Ziele wurden nicht einfach definiert, nein sie wurden aufgeschrieben. Falsch, sie wurden nicht einfach aufgeschrieben, sie wurden kalligrafiert! Lockenkopf wollte natürlich idealistische Ziele aufschreiben, also solche, deren Umsetzung auch praktischerweise nicht gleich an Tag 1 des neuen Jahres per se umgesetzt oder kontrolliert werden konnte. Weltfrieden, unendlich viel Kohle, 7 mal die Woche Sex… Aber meine Freundin schaute mich wieder ungerührt über den Tisch hinweg an: “Süße, realistische Ziele. Realistische.”
Um meinen erschütterten Blick etwas zu mildern, goss sie mir das zweite Glas Champagner ein. Und schmiss noch gleich ein paar eisgekühlte Himbeeren dazu. Nun gut. Aber ich wollte nicht ganz aufgeben: “Was hälst du davon, wenn wir zwei Ziele-Gruppen machen? Realistische und optimistische?” Ja, damit war sie einverstanden. Aber da meine Freundin wirklich eine Strategin ist und mit all den Dingen, mit denen ich auf Kriegsfuß stehe, wie Excel-Tabellen und Ähnlichem, bestens vertraut und befreundet ist, fragte sie völlig unbefangen nach: “Was ist ein optimistisches Ziel?” Ich hätte sie küssen können. “Nun schau, so etwas wie ein Traum, von dem du nicht glaubst, dass er sich in 2019 erfüllt, es aber auch physikalisch nicht unmöglich ist, dass er sich erfüllt.”
Ich hatte ein wenig Mühe mit dem Champagner realistisch zu bleiben, idealistisch entspricht sowieso eher meiner Natur, aber ich orientierte mich an meiner Freundin und notierte brav fünf Ziele. Und ob ihr´s glaubt oder nicht, ich habe eins davon gleich heute umgesetzt. Sie sagte: “Süße, du musst wieder mehr schreiben, dein Blog verwaist. Das geht so nicht. Go. Do it.”
Drink Champagne and dance honey!
Als wir beim dritten Glas Champagner und den optimistischen Zielen, welche mehr und mehr zu abstrusen wurden, angelangt waren, spielte die Spotify-Playlist unseren favorisierten DJ. Jetzt gab es kein Halten mehr: wir schmissen die Blätter mit den Zielen in die Luft, sprangen auf und tanzten wie wild. Die Hunde freuten sich und trugen mit kleinen Mops-Fürzen dazu bei. Da befand meine Freundin, es wäre Zeit, noch einmal unter die Leute zu gehen und zu tanzen. House und Techno stand auf dem Spielplan, also ganz unser Ding.
23.55 waren wir vor Ort, gaben unsere Mäntel ab. Gingen zur Tanzfläche, holten mechanisch unsere Handys raus: 00:00! Ich sprang meiner Freundin um den Hals. Und dann mit ihr gemeinsam auf die Tanzfläche. Praktischerweise war da um diese Zeit niemand außer uns und einem der beiden DJ´s. Es wurde so etwas wie Gloria Gaynor gespielt. Nicht House, aber egal. Wir tanzten ausgelassen und sangen lauthals mit. Nach und nach füllte sich wieder die Halle.
Last night a DJ saved my….o boy f*** off…
Zu unserem Unmut bemerkten wir, dass die Musik sich änderte. Nicht der übliche DJ, sondern zwei Youngsters legten auf. Riesiges Equipment, surrounded von ihrer supportive Crew, welche mit coolem Blick und Bierflasche in der Hand zum stupiden Minimal-Techno kopfnickend mitwippte. Der eigentliche Resident-Dj, an diesem Abend leider abwesend, ca. 60 Jahre alt, verzieht, wenn anwesend, keine Miene, holt seinen Apfel-Laptop raus und spielt House-Tracks, die dich in Trance tanzen und die Sorgen vergessen lassen. Die beiden jungen Herren hingegen beugten sich mit wichtigen Mienen über die Turntables, tauschten sich mit ihrer Fan-Base aus und brachten trotzdem nix Gscheits zustande. Wer mich kennt, weiss, dass ich von Zeit zu Zeit sehr temperamentvoll werden kann und wenn dann noch Unmut dazu kommt… Ich war kurz davor, die beiden Burschen und ihre Visagen in die Turntables zu drücken und sie anzufauchen: “Jungs, als ihr damals in die Windeln geschissen habt und wir noch Telefone mit Wählscheiben hatten, da gab´s noch RICHTIGEN House und Techno! Hört auf diesen Mist zu spielen!” Aber gut. Ich hatte ja Ziele. Und der Weltfriede sollte nicht gleich am ersten Tag des Jahres schon von meiner Seite gebrochen werden. Hüpfte also weiter brav zu Humptata-Rythmen mit.
Drumherum Männer auf der Suche nach ganz eindeutig realistischen UND otimistischen Zielen. Die auch am Tag 1 dringlichst umgesetzt werden sollten. Ich habe mir mit den Jahren eine Haltung und einen Blick angewöhnt, die in etwa ausdrücken, dass ich Richterin am Obersten Gerichtshof bin und mein Urteil nicht mehr rückgängig gemacht werden und Mann froh sein kann, dass die Todesstrafe abgeschafft wurde. Funktioniert inzwischen zu 99,9%. Aber irgendwann waren wir müde vom Sound, imaginären Sicherheitszonen und wollten heim. Wortlos, zufrieden, Arm in Arm gingen meine Freundin und ich durch die Münchner Nacht…
Silvester und ein Fazit…
Bei ihr zuhause angekommen, fielen wir todmüde ins Bett. Noch schnell abgeschminkt, in den Pyjama und ab in die Federn. Plötzlich spürte ich, wie zwei Fellkugeln auf mein Bett plumpsten. Die Möpse befanden, dass es gemütlich bei mir wäre und sie nicht alleine sein wollten. Fazit meines Silvesters: Gut gegessen, gut getrunken, Ziele gefunden, viel gelacht, sogar einmal geweint, getanzt und am Ende mit zwei Männern im Bett gelandet. Bisschen klein und bisschen pelzig. Aber immerhin.
2019, du kannst kommen. Ich bin bereit.
Ich freue mich schon jetzt auf deinen Silvester Bericht 2020. LG an deine Freundin. Toller Schreib-Stil!!!!
Lieber Uli, vielen Dank für deine Worte! Dein Kompliment freut mich und die Grüße richte ich natürlich aus! Silvester 2020 – du kannst kommen… 😉